Unsere Haltung betreffend Prävention Sexueller Ausbeutung von Kinder und Jugendlichen im Sport
Wir betrachten sexuelle Ausbeutung und sexuelle Grenzverletzungen als zentralen Angriff auf die Persönlichkeit der Betroffenen. Aus diesem Grund dulden wir weder sexuelle Ausbeutung noch grenzverletzendes Verhalten in unserer Organisation. Wir wollen Klarheit schaffen, was in Ordnung ist und was nicht und unsere Organisation so führen, dass grenzverletzende Handlungen geahndet werden oder – besser – gar nicht vorkommen. Kinder sollen bei uns sicher sein.
Die folgenden acht Aussagen haben dieses Ziel. Wir betrachten sie als für unsere Organisation verbindlich. Ihre Einhaltung ist Bedingungen für die Mitgliedschaft unserer Organisation (unseres Vereins, Club, unserer Abteilung oder Schule) im Präventionsverein VERSA (Verein zur Verhinderung sexueller Ausbeutung von Kinder im Sport).
1. Wir stehen dazu: Sexuelle Ausbeutung und Grenzverletzungen könnten auch in unserer Organisation vorkommen. Wir dulden beides nicht.
Sexuelle Ausbeutung lebt vom Verborgenen. Gerade lang anhaltende Fälle sind nur dem Täter und dem Opfer bekannt. Ausbeutung kann auch bei uns angebahnt werden. Selbst wenn die Ausbeutungshandlungen oft nicht innerhalb einer Organisation vorgenommen werden, nutzt ein Täter oder eine Täterin das Vertrauen aus, das ihm oder ihr von der Organisation, den Kindern und den Eltern entgegengebracht wird.
Manchmal wird grenzverletzendes Verhalten (z.B. mit schlüpfrigen Sprüchen, Körperkontakten, durch Verletzung der Intimsphäre) durch einzelne Trainer, Lehrerinnen, Funktionäre auch öffentlich gezeigt. Diese Person sei halt „etwas näher“, wird entschuldigend bemerkt. Wir bagatellisieren ein solches Verhalten nicht. Es stört und es könnte der Anfang von Weitergehenden Übergriffen sein.
2. Wir sprechen mit unseren Verantwortlichen über erlaubte Körperkontakte, heikle Situationen und Ausbeutung. Wir suchen gemeinsam einen guten Umgang damit.
In unserer Organisation sind freundschaftliche Gefühle zwischen Verantwortlichen und Teilnehmenden erwünscht. Zu einem unverkrampften Umgang miteinander können auch Körperkontakte gehören. Wir wollen sie nicht verbannen. Wir sprechen darüber, was bei uns erlaubt ist.
Wir sind uns bewusst, dass alles Erlaubte auch für sexuelle Ausbeutung missbraucht werden kann. Trotzdem möchten wir nicht jegliche Körperkontakte verbieten.
Wir sprechen – zum Beispiel vor Lagern – über den Schutz der Intimsphäre unserer Kinder:
Wie können sie sich ungestört umziehen, waschen, wie sind Hygienekontrollen (wenn überhaupt nötig) zu gestalten, wer schläft wo, wie schützen wir Kinder vor Übergriffen durch andere Kinder usw.
Die Liebe wollen wir nicht verhindern. Wenn zwischen Verantwortlichen und Teilnehmenden Liebesbeziehungen entstehen, sollen sie gelebt werden dürfen, solange sie den Rahmen des Gesetzes (Schutzalter!) nicht verletzen. Wir nehmen in Kauf, dass dadurch eine spezielle Dynamik in der Gruppe entstehen kann. Deshalb erwarten wir von der verantwortlichen Person eine erhöhte Transparenz: ER oder SIE muss eine solche Liebesbeziehung offenlegen. Wo ein Leiter seine/eine Leiterin ihre Position ausnützt für sexuelle Handlungen mit Teilnehmenden, tolerieren wir das in keiner Weise.
3. Wir informieren die Eltern unserer Kinder sowie die uns anvertrauten Jugendlichen über unsere Haltung zu guten Körperkontakten und sexueller Ausbeutung. Wir bezeichnen eine Kontaktperson für die Prävention sexueller Ausbeutung.
Eltern und ältere Jugendliche sind wichtige Partner und Partnerinnen in unserem Bemühen, sexuelle Ausbeutung oder Grenzverletzungen zu verunmöglichen oder zu erschweren. Die Eltern stellen vielleicht an ihrem Kind fest, dass etwas nicht mehr stimmt. Sie wissen eher als wir, wenn ein Kind viel Freizeit mit einem oder einer unserer Verantwortlichen verbringt. Jugendliche sind vielleicht selber betroffen, vielleicht aber auch Zeugen von Übergriffen. Wenn Eltern und Jugendliche unsere Haltung erkennen, werden sie bestärkt, Grenzverletzungen nicht zu tolerieren und zu melden. Wir geben dafür eine Kontaktperson bekannt. Diese wahrt die Anonymität der Personen, die sich an sie wenden.
Zweck der VERSA ist die Entabuisierung von sexueller Ausbeutung mittels Informationen an Vereine, TrainerInnen, Eltern, Kinder/Jugendliche, Öffentlichkeit durch die Zusammenarbeit mit Fachstellen und anderen Organisatoren mit folgen Zielen:
- Kinder und Jugendliche in den Sportvereinen vor sexueller Ausbeutung zu Schützen.
- Personen mit pädosexuellen Neigungen vom Jugendsport fernzuhalten.
- Vertrauen in den Jugendsport zu schaffen.
4. Wenn uns konkrete Hinweise oder ein Verdacht auf sexuelle Ausbeutung bekannt werden, nehmen wir in jedem Fall externe Hilfe zur Klärung der Lage in Anspruch.
Vorwürfe oder Vermutungen im Bereich sexueller Ausbeutung wiegen schwer. Sie können eine Organisation spalten, wenn ein Mitglied des Teams beschuldigt wird. Mit ihm verbinden sich viele positive Erinnerungen. Die Gefahr, dass wir aus Loyalität falsch reagieren, ist gross. Wir sind deshalb auf externe Unterstützung angewiesen. Nur so können wir die Situation mit der notwendigen Ruhe analysieren.
Externe Unterstützung ist auch nötig, weil die Thematik der sexuellen Ausbeutung sehr komplex ist. Ein falsches Vorgehen kann grossen Schaden anrichten. Es ist kein Zeichen von Schwäche, sondern eines von Stärke, wenn wir uns in dieser Situation die Hilfe bei Fachstellen holen.
Wir sprechen mit einer beschuldigten Person aus unserem Kreis nicht über die Vorwürfe oder über begonnene Klärungsarbeiten. Das ist schwierig, aber notwendig: Falls die Vorwürfe berechtigt sind, wir ein Täter/eine Täterin den Druck auf die Betroffenen verstärken, nichts zu sagen. Er oder sie wird im Team nach Unterstützung suchen und diejenigen beschuldigen, welche die Beschuldigung oder Vermutung ausgesprochen haben. Es kann zu einer Schlammschlacht kommen, die unsere Organisation spaltet. Das wollen wir vermeiden. Es ist auch im Sinn der Beschuldigten, wenn eine Klärung im möglichst kleinen Kreis und diskret geschieht.
5. Wer uns auf sexuelle Übergriffe oder auch nur auf ungute Gefühle in diesem Bereich aufmerksam macht, wir vor negativen Konsequenzen geschützt.
Beschuldigten: Sie seien überempfindlich, hätten zu viel Fantasie, das sind mögliche Argumente gegen sie. Täter können durch solche Anschuldigungen von sich ablenken, Verantwortliche von Organisationen halten sich damit unbequeme Entscheide vom Leib. Zudem stehen die Täter den Leitenden oft näher als die Betroffenen.
In unserer Organisation spielen wir solche Spiele nicht mit. Wir stellen uns auf die Seite der Betroffenen und wir sind froh, wenn wir Hinweise auf ungute Verhaltensweisen erhalten. Nur so können wir Klärung schaffen. Wenn möglich wahren wir die Anonymität der Betroffenen.
Wenn Betroffenen Hilfe benötigen, motivieren wir sie, mit einer Opfer-Beratungsstelle Kontakt aufzunehmen. Das tun wir ebenfalls, wenn weit gehende Beschuldigungen im Raum stehen. Zusammen mit dieser Fachstelle und mit VERSA, koordinieren wir das weitere Vorgehen.
Die Unterstützung Betroffener sowie der Schutz möglicher weiterer Opfer hat dabei die erste Priorität, der Schutz unserer Organisation die zweite, die Arbeit mit dem Beschuldigten die dritte.
Wenn sich in Zusammenarbeit mit Fachstellen zweifelsfrei herausstellt, dass eine Anschuldigung unberechtigt war und geäussert wurde, um einem Mitglied unseres Teams absichtlich zu schaden, dann entfällt unser Schutz für Beschuldigende.
6. Wir dulden keine sexuellen Übergriffe oder Grenzverletzungen. Bei Unsicherheit, ob eine Gefährdung besteht, nehmen wir mit einer Fachstelle Kontakt auf.
Wer bei uns nachweisbar sexuelle Ausbeutung verübt, wer sein oder ihr grenzverletzendes Verhalten nicht lassen will oder kann, muss alle Funktionen aufgeben, die eine weitere Gefährdung darstellen können. Die Funktion und Stellung sowie die übrigen Qualitäten eines Täters oder einer Täterin spielen dabei keine Rolle. Eine weitere Mitgliedschaft in der Organisation ist nur unter strengen Auflagen möglich, die mit einer Fachstelle oder Fachperson erarbeitet werden.
Zum Schutz der uns anvertrauten Kinder, Jugendlichen- und Erwachsenen-Teilnehmenden können auch nicht bewiesene, aber begründete Verdachtsmomente zu einer Enthebung von allen Tätigkeiten führen. Dabei geht es uns nicht um Bestrafung, sondern um den verantwortungs-vollen Umgang mit einer möglichen schwerwiegenden Gefährdung. Auch für eine solche Massnahme suchen wir die Unterstützung bei einer Fachstelle.
7. Bei neuen Trainern, Leiterinnen, Lehrpersonen informieren wir uns bei vorhergehenden Stellen über Grenz-verletzungen im sexuellen Bereich oder andere Auffälligkeiten im Verhalten mit Kindern und Jugendlichen.
Mit dieser Vorsichtsmassnahme können wir verhindern, dass schon an früheren Orten negativ aufgefallene Männer oder Frauen bei uns eine neue Nische finden. Das gilt besonders für pädosexuell fixierte (= korrekte Bezeichnung für „pädophil“) Männer, die von Verein zu Verein ziehen und sich Möglichkeiten zu sexuellen Übergriffen suchen.
Wir informieren uns über alle neuen Mitarbeitenden, die eine Funktion mit Kindern oder Jugendlichen ausüben. Deshalb ist diese Massnahme nicht diskriminierend. Wir können sie mit unserer Mitgliedschaft bei VERSA begründen. Wer unbescholten ist, wird diese Vorsichtsmassnahme unterstützen.
Wir sind uns bewusst, dass diese Vorsichtsmassnahme nur greift, wenn wir ehrliche Auskünfte erhalten. Ausserdem sind die fixierten Pädo-sexuellen nur für einen Teil aller Ausbeutungshandlungen verantwortlich. Diese Massnahme allein bietet deshalb keinen völligen Schutz für unsere Kinder.
8. Wir sind Mitglied im Verein VERSA, weil wir dadurch bei nachhaltigen Präventionsmassnahmen unterstützt werden. Wir dokumentieren unser Engagement zum Schutz unserer Kinder mit dieser Mitgliedschaft.
Als Mitgliedsorganisation im Präventionsverein VERSA werden wir jährlich motiviert, die vorliegende Selbstverpflichtung zu besprechen und neu zu beschliessen. Neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhalten diese Selbstverpflichtung. In Arbeitsverträgen ist sie integrierter Bestandteil. Unsere Präventionsmassnahmen werden so zur Selbstverständlichkeit.
VERSA verfolgt folgende Ziele:
- Kinder und Jugendliche vor sexueller Ausbeutung schützen.
- Personen mit pädosexuellen Neigung vom Jugendsport fernhalten.
- Vertrauen in den Jugendsport und ihre Organisation schaffen.
- Trainer und Trainerinnen klare Verhaltensregeln vermitteln und sie so vor ungerechtfertigten Verdachtsmomenten schützen.
- Vereinen eine niederschwellige Anlaufstelle mit Sportkompetenz anbieten.
Als VERSA-Mitgliedsverein dürfen wir das VERSA-Logo verwenden, um auf unser Engagement zum Schutz der uns anvertrauten Kinder und Jugendlichen hinzuweisen.