Monika Schmid – Die Tüftlerin
Dietlikon steht übermorgen Samstag in der Swiss-Arena in Kloten zum dritten Mal in Folge im Superfinal – als Qualifikations- und Cupsieger, der seit Oktober keinen einzigen NLA-Ernstkampf mehr verloren hat. Torhüterin Monika Schmid sei Dank.
Irgendwie vergisst man sie. Zumindest ein bisschen. Und das völlig zu Unrecht. Monika Schmid ist eine zurückhaltende Torhüterin. Keine, die ihre Mitspielerinnen lauthals antreibt, wild gestikuliert, diskutiert, keine, die mit auffälligen Aktionen für Aufsehen sorgt. Aber sie ist eine, die auch ohne grosses Spektakel ihre Gegnerinnen zum Verzweifeln bringt. Unlängst im Cupfinal, als die Meisterinnen aus Chur während 60 Minuten kein einziges Tor zustande brachten und Dietlikon mit einem 5:0-Sieg seinen Titel verteidigte. Zuletzt in der Playoff-Halbfinalserie, in der Erzrivale RychenbergWinterthur in drei Spielen gerade mal sechs Treffer gelangen.
Wohin man hört, gibt es gegenwärtig nur Lob für die 27-jährige Torhüterin, die seit 2010 in Dietlikon zwischen den Pfosten steht. Gefragt nach den Stärken der Gegnerinnen, fällt im Gespräch mit Winterthurs Captain Céline Chalverat zuallererst der Name Monika Schmid. Chalverat betonte vor dem Halbfinalduell: «Sie ist es, die wir bezwingen müssen, wenn wir eine Chance haben wollen.» Sie hatten keine. Die Serie ging mit 3:0-Siegen und einem Torverhältnis von 16:6 an Dietlikon. Sascha Brendler, seit dieser Saison Sportchef in Dietlikon, kennt Monika Schmid noch aus seiner Zeit als Nationalcoach. Vor zwei Jahren verlor er mit den Schweizerinnen das WM-Gruppenspiel gegen Finnland knapp 4:6. Im Tor stand Monika Schmid. Und Brendler sagt heute: «Sie hat gut gespielt, keine nennenswerten Fehler gemacht. Aber mit einer Monika Schmid, wie sie momentan in Form ist, hätten wir die Finninnen geschlagen, davon bin ich überzeugt.»
Schliesslich ist da noch Niculin Parli, ehemaliger NLA-Torhüter bei Chur, GC und den Kloten-Bülach Jets und seit zwei Jahren Goalietrainer beim UHC Dietlikon. Auch er ist beeindruckt von Schmids Entwicklung: «Als ich in Dietlikon angefangen habe, mit den Torhüterinnen zu arbeiten, wusste ich bereits, dass sie gut ist. Aber sie hatte den Ruf, ihre beste Leistung nicht dann zu erbringen, wenn es darauf ankommt.» Das, bemerkt Parli, habe sich komplett umgekehrt. Bester Beweis dafür sei ihr jüngstes Glanzstück im Cupfinal.
Hechten eingestellt
Die Frage sei also erlaubt: Monika Schmid, besser geht nicht, oder? Die Torhüterin lächelt und erwidert kurz: «Ich hoffe doch. Es gibt in meinem Spiel noch einiges zu verbessern.» Es ist eine Antwort, die viel über Schmid verrät. Sie zeigt Bescheidenheit und Geduld, aber auch Hartnäckigkeit und Perfektionismus. Es sind die Eigenschaften einer Tüftlerin. Sowohl an ihrem Arbeitsplatz als Biomechanikerin in der Forschungsabteilung einer Zahntechnikfirma als auch im Sport ist der Optimierungsgedanke Schmids innerer Antrieb. «Ich wäre eine schlechte Erfinderin», erklärt sie lachend, «an existierenden Modellen rumzuschrauben, diese zu verbessern, das ist meine Leidenschaft.»
Ihr akribisches Arbeiten an kleinen Details ist mit ein Grund dafür, dass man sie auf dem Spielfeld manchmal glatt vergessen könnte. Denn spektakuläre Paraden sieht man von Schmid selten. Sie verbuche eindeutig weniger sogenannte «Big Saves» als beispielsweise ihr Pendant bei Piranha Chur, Lara Heini, bestätigt Goalietrainer Parli diesen Eindruck, betont aber: «Moni könnte durchaus nach dem Ball hechten, nur muss sie das nicht tun. Darum nenne ich diese Paraden auch nicht Big Saves, sondern spektakuläre Saves.»
Schmids Stellungsspiel ist mittlerweile so nahe an der Perfektion, dass sie bei einem Schuss aufs Tor kaum je in Verlegenheit kommt. Vor gut zwei Jahren hat Schmid bewusst beschlossen, sich das Hechten abzutrainieren. Es war ihr zu unsicher. «Wenn der Ball tief kommt, erreichst du ihn schlecht. Und wenn du mal gehechtet bist, liegst du am Boden und kannst nicht mehr reagieren», erklärt sie. Also hat Schmid das Spiel noch besser lesen gelernt, um am richtigen Ort zu stehen, bevor der Ball kommt. Die Folge ist, dass sie im Tor nun vermehrt angeschossen wird. Das sieht weniger spektakulär aus als ein Hechtsprung, ist aber effizient: «Ich bleibe aufrecht und kann auf Abpraller reagieren.»
In der Verantwortung
Dass ein Goalie dann die ungeteilte Aufmerksamkeit hat, wenn er am Boden liegt, ist Teil seiner Rolle. «Wie die Schiedsrichter wird auch ein Torhüter dann gesehen, wenn er Fehler macht», gibt Sportchef Brendler zu bedenken. Monika Schmid hat gelernt, damit umzugehen. In ihrer Maturaarbeit hat sie sich, noch bevor sie von Adliswil über Zug nach Dietlikon kam, mit mentalem Training auseinandergesetzt und dabei gelernt, ein Gegentor zu verarbeiten, indem sie es sekundenschnell einordnet – War es ein Blackout von mir? Hat das Kollektiv versagt? Oder war der Gegner einfach zu stark? – und sich sofort mit einer allfälligen Problemlösung beschäftigt. «So kann ich es abhaken und bei der nächsten Aktion wieder konzentriert auf meinem Posten stehen.» Kalt lässt es Schmid auch heute nicht, wenn das Horn einen Gegentreffer verkündet. Doch sie könne die Frustbewältigung mittlerweile gut aufschieben, verrät sie. Und akuter Ärger lasse sich mit einem Schluck aus der Trinkflasche runterspülen.
Dass ihre Leistung in der laufenden Meisterschaft mehr Anerkennung findet als auch schon, ist auch Monika Schmid nicht entgangen. Und sie hat eine Erklärung dafür: «Die Defensive ist wichtiger geworden in Dietlikon, denn wir schiessen weniger Tore als letzte Saison.» Mit dem Wechsel von Michelle Wiki und Petra Weiss nach Schweden hat der UHC Dietlikon im vergangenen Sommer das mit Abstand effektivste Sturm-Duo der Liga verloren. Sagenhafte 88 Tore haben sie in der Saison 2016/17 für die Gelb-Blauen erzielt. Mit Topskorerin Andrea Gämperli, Isabelle Gerig oder Linda Pedrazzoli sind zwar junge Spielerinnen gut in die Bresche gesprungen und die Skorerpunkte verteilen sich in der aktuellen Abrechnung auf mehr Konten als früher. Vollumfänglich liess sich die Torproduktion in den vergangenen Monaten aber nicht aufrechterhalten. Die Statistik zeigt: Das Torverhältnis ist in der abgelaufenen Qualifikation mit einem Plus von 61 Treffer exakt dasselbe wie im vergangenen Jahr, allerdings hat Dietlikon rund 30 Tore weniger geschossen. Eine gefestigte Defensive war heuer also der Schüssel zum Erfolg. «Es hat eindeutig mehr Spiele gegeben, in der meine Leistung über Sieg und Niederlage mitentschieden hat», sagt Schmid, der es gefällt, Verantwortung zu übernehmen.
Seit ein paar Monaten ist Monika Schmid Assistentin von Captain Linn Lundström. Vor drei Jahren hat sie das Amt noch abgelehnt und auch nach der erneuten Anfrage von Chefcoach Simone Berner Bedenkzeit gebraucht. «Als Torhüterin ist das Captainamt nicht ideal», erklärt sie. «Es ist schwierig, während des Spiels mit den Schiedsrichtern zu kommunizieren, ich kann ihnen nicht über das ganze Feld nachlaufen und bin darauf angewiesen, dass sie in meine Nähe kommen.» Die Hauptaufgaben des Captains und seines Assistenten seien allerdings neben dem Platz zu finden, meint sie. Die Chance, eine Vermittlerrolle zwischen Team und Trainerstaff sowie eine Vorbildfunktion für die jüngeren Spielerinnen einzunehmen, hat sie schliesslich zu einer Zusage bewogen. Ihren Entscheid hat sie nicht bereut: «Ich bin gerne Ansprechpartnerin und besorgt darum, dass es allen im Team gut geht.»
«Hinten dichtmachen»
Den wirkungsvollsten Stimmungsmacher können sich Monika Schmid und ihre Mitspielerinnen am kommenden Samstag in der Swiss-Arena in Kloten besorgen: einen Schluck aus dem Meisterpokal. Nachdem die Dietlikerinnen nun bereits fünfmal in Folge die tragischen Heldinnen im Churer Meisterstück spielen mussten, soll die leidige Geschichte ein neues, glückliches Ende bekommen. Wie ein solches geschrieben werden kann, haben sie im Cupfinal unter der Federführung von Monika Schmid gezeigt. Die Torhüterin weiss: «Wenn wir hinten komplett dichtmachen, bringt sie das zum Verzweifeln.»
Der Text wurde mit freundlicher Genehmigung des Zürcher Unterländer, Marisa Kuny übernommen.